Tübinger Mikroskopischer Stammtisch (November bis Dezember 2020)

Flechten und Moos, Histopathologie, histologische Standardfärbungen, Artemisinin, Anopheles, Malariaerreger, Weihnachtliches, Hydren, F. Belthle, Fliegen, Lotus-Effekt, Baggersee, Kaninchen-Embryo, Donau-Schlammprobe, Geologie entlang der Eyach, Mikro- und Makrowelten, Wetzlar, Schachtelhalm, Privatsammlungen, Brownsche Molekularbewegung, Software, historische Mikroskope, Saisonfische, Vogelmilben, Trichinen.

27. Dezember 2020

  • Flechten und Moos: Historisches und Erbauliches von Horst Fries.
  • Herstellung mikroskopischer Präparate für die Histopathologie: Ein ausführlicher Vortrag von Peter Voigt über die Praxis der Pathologie. Interessant, welche recht aufwändigen Arbeitsschritte bereits automatisiert werden können – aber nicht alle!
  • Histologische Standardfärbungen: Als Beispiel ein Präparat einer Niere mit AZAN-Färbung (Alfons Renz).

20. Dezember 2020

  • Malaria-Mittel Artemisinin, ein kleiner Vortrag von Hans-Jürgen Koch, besten Dank. Auszug:
    Der Einjährige Beifuß Artemisia annua, aus dem Artemisinin gewonnen wird, wird in China, Vietnam und in ostafrikanischen Ländern angebaut. Die Gewinnung erfolgt durch die Extraktion getrockneter Blätter und Blüten mit n-Hexan. Der Artemisiningehalt in der Wildtyp-Pflanze liegt zwischen 0,1 und 0,4 % bezogen auf das Trockengewicht, bei Züchtungen bis zu 1,4 %. Das Kraut und seine heilsame Wirkung war vermutlich schon vor 3000 Jahren in China bekannt!
  • Anopheles-Larven und Imagines (Alfons Renz).
  • Präparat vom Malaria-Erreger (Oozyste) in der Darmwand der Mücke. In der Oozyste werden aus dem Genmaterial aus der Mitte tausende Sporozoiten gebildet (radial angeordnet), die anschließend in die Speicheldrüse der Mücke gelangen.
    In diesem Zusammenhang besonders interessant: Wirte, die über lange Zeiträume Verträglichkeit mit ihren Parasiten erreicht haben, können einwandernde Konkurrenten ausschalten, da diese gegen seine Parasiten nicht gewappnet sind.
  • Weihnachtlich bunt soll es so kurz vor dem Fest aber auch noch werden: Seifenblasenhäutchen live von Alfons Renz vorgeführt. Nachmachen empfohlen, geht aber nur mit direktem Auflicht.
  • Neuer Besucherrekord: 27 Teilnehmer.

13. Dezember 2020

  • Hydren vom Teich (Franz Lang): Mit zahlreichen Polypenläusen, zwei Arten (Bilder der Trichodina z. B. →hier). Warum lösen diese Ciliaten den Schussapparat der Nesselkapseln nicht aus?
  • Nesselkapseln schienen unterschiedlichen (polyphyletischen) Ursprung zu haben: Microsporidia und Myxozoa.
  • Friedrich Belthle: Der vergessene Tübinger Mitbegründer der Leitz-Werke in Wetzlar. Interessante und noch nicht ganz aufgeklärte Kontakte von Belthle zu verschiedenen Entwicklern optischer Geräte im 18. Jahrhundert, nachvollzogen von Alfons Renz.
  • Fliegen fliegen, Aufnahmen von Manfred Erb.

06. Dezember 2020

  • Der Lotus-Effekt und andere Reinigungseffekte. Der Lotus-Effekt ist allgemein bekannt und beschrieben, die technisch umgesetzten Anwendungen sind aber überschaubar – denn putzen muss man immer noch. Warum machen das nicht viel mehr Pflanzen so? Die Brennnessel zeigt den Lotus-Effekt nicht, trotzdem reinigt auch sie sich immer wieder selbst. Gerhard Schulz erläuterte die Versuche seiner Studenten, dieses Geheimnis zu lüften. Der ausführliche Beitrag hier →Der Rotkohl- und Brennnessel-Effekt
  • Kaninchen-Embryo als gestacktes Foto und Amaryllis-Pollen von H.-J. Hoehland.
  • Baggersee-Tümpeltreff am Vortag. Massenhaft Hydra an Pflanzenblatt, auch mit sog. Polypenläusen. Extra Beitrag →Baggersee-Tümpeln im Dezember 2020
  • 25 Teilnehmer

29. November 2020

  • Schlammprobe von der Donau bei Donauwörth: Viele Kieselalgen. Etwas von dem Schlamm im Reagenzglas ein paar Tage stehen gelassen, dann bildete sich ein schleimiger Trichter, der sich dann zusammenzog und auflöste. Selbstreinigung von Gewässern im Reagenzglas! Beitrag von Franz.
  • Manfred über die Geologie entlang des Laufes des Rio Eyach – nicht im Amazons-Regenwald, wie man glauben mag, sondern vor unserer Haustür. Deswegen musste er sich auch nicht vor Kaimanen in Acht nehmen, sondern nur aufpassen, keine Flusskrebse totzutreten.
  • Horst mit dem Thema „Wie sich Mikro- und Makrowelten gleichen“ →Bilder hier

Schlammprobe von der Donau:

Eyach:

22. November 2020

  • Wetzlar – Stadt der Optik, für Leitz/Leica-Freunde ein Muss: Die sehenswerte Leitzsammlung im ehemaligen Verwaltungsgebäude Leitz, das Viseum, der Leitzpark, das Haus Friedwart (ehemaliger Wohnsitz) und die beschauliche Stadt selbst. Ein Beitrag von Peter Voigt, hier mit weiteren Infos und Bildern →Wetzlar – Stadt der Optik
  • Winter-Schachtelhalm: U. a. Färbemethoden. Der Beitrag von Hans-Jürgen Koch →hier .
    (Den entsprechenden Beitrag im Mikro-Forum wollte ich hier verlinken, kann ihn aber dort nicht finden – Horst Fries).
    Anmerkung von Alfons Renz: Wenn Saurier Schachtelhalme gefressen haben sollen, wie verdauen sie diese im Pansen, wenn Schachtelhalme keine Zellulose enthalten?
  • Private Mikroskop-Sammlungen im Internet: Horst Kuhn hat besonders empfehlenswerte Seiten zusammengestellt →hier
  • 24 Teilnehmer!

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15. November 2020

  • Brown’sche Molekularbewegung oder Bakterien in Zahnpasta? Natürlich Erstere. Hier im Stammtisch versucht, die Molekularbewegung  zu visualisieren, klappte letztendlich in stark verdünnter Zahnpasta.
  • Nachtrag zu den Vogelmilben: Der Größenvergleich der Stechborste (Chelizere) mit Erythrozyten überrascht. Wie gelangt das Blut in die Milbe durch diesen dünnen Kanal? Zwei Theorien: a) Blutkörperchen quetscht sich stark verformend durch die Röhre. Reicht aber dabei der Druck aus, um eine relativ große Menge Blut einzusaugen? b) Erythrozyten werden „angestochen“ und ausgesaugt oder „zerhäckselt“ und eingesaugt, Für „zerhäckselt“ spricht, dass auch zerteilte Blutparasiten in den Milben gefunden wurden.
  • AFFINITY PHOTO ist eine Bildbearbeitungssoftware, die u. a. eine Funktion enthält, die Mikroskopierer schätzen: Bei der automatischen Zusammensetzung von Bildern, die dunklere Randbereiche haben, werden die dunklen Stellen bei den Bildübergängen sauber eliminiert. Die Software ist nicht kostenlos.
  • Der Image Composite Editor von Microsoft ist ein kostenloser Panorama-Image-Sticher. Download z. B. hier →Download bei CHIP
  • Der Tintenfischpilz (Clathrus archeri), Foto von Manfred.
  • Hinweis: Mikroskopierkurs in Inzigkofen: „Mikroskopieren – ein Workshop für Amateure“. 27. Sept. bis 2. Okt. 2021. 190 €. Aber: Ausgebucht – Anmeldung auf Warteliste möglich. → Link

8. November 2020

  • Historische Mikroskope in Ausstellungen, Bilder von Peter Woitschikowski:
    Sammlung historischer Mikroskope von Ernst Leitz im Neuen Rathaus Wetzlar.
    Deutsches Optisches Museum, Jena. Z. Z. wegen Umbau geschlossen. Öffnet wieder 2023.
    Naturkundemuseum Wien. Gediegene Ausstellung zur Mikroskopie in beeindruckenden Räumlichkeiten.
  • Nachtrag zu den Vogelmilben (Stammtisch Vorwoche): Aufgrund nur zweier Borsten auf der Brustplatte (Sternum) wohl keine tropische Rattenmilbe, sondern vielleicht die Waldmilbe Ornithonyssus sylvarium. Die Schere am Ende des Saugrüssels ist bei den vorliegenden Exemplaren sehr klein. Mikrofilarien in den Milben in ziemlich komplizierten Entwicklungsstadien.
  • Wie überleben die Populationen der Saisonfische das periodische Austrocknen ihrer Heimatgewässer? Die sog. Saisonfische der Unterordnung der Eierlegenden Zahnkarpfen legen ihre Eier in den Bodengrund und überdauern flexibel monatelange Trockenheit. Sie schlüpfen teilweise innerhalb Stunden nach Einsetzen des Regens, aber manche auch Wochen später, so dass nochmaliges Austrocknen überlebt werden kann. Wegen der kurzen Lebenszeit dieser Fische werden sie zur Alterungsforschung herangezogen.
  • Die Tümpelgruppe am nebligen Vortag bestand nur aus drei Teilnehmern. Es wurden lediglich Planktonproben entnommen, um sie zuhause zu untersuchen. Im Freiwasser viele Hüpferlinge, nun auch wieder Wasserflöhe (Langdorn-Wasserflöhe und wenige Weiher-Rüsselkrebschen), auch das Beuteltierchen Condylostoma. Reste von Blaualgen (ohne Heterocysten). Auf dem Boden und an Wasserpflanzen (Hornkraut) massenhaft das Trompetentier Stentor, Condylostoma und andere große Ciliaten.

1. November 2020

  • Hauptthema heute: Trichinen. Bilder und Infos von Hans-Joachim Hoehland und Alfons Renz.
    Trichinen sind trotz relativ geringer Artenzahl als Parasiten im Tierreich weit verbreitet. Verkapselt im Muskel der Wirte und durch deren Blutgefäße versorgt nisten sie sich dauerhaft ein und sind kaum angreifbar. Dabei gelingt es ihnen zu veranlassen, dass die Kapselwände vom Wirt (Muskel) selbst gebildet werden (und das bei unterschiedlichen Wirtsarten!).
    Das Größenverhältnis zwischen der Kapsel und den Darmzotten wird in der Literatur meist nicht oder sogar falsch dargestellt. Alfons zeigts mit zwei Präparaten bei gleicher Vergrößerung.
    Nach der Begattung haben die geißellosen Spermien im Weibchen noch einen langen Weg vor sich, und das oft gegen den Strom der schon zuvor befruchteten Eier. Die „wissenschaftliche“ Erklärung: Hartnäckigkeit und Ausdauer.
  • Das in der Vorwoche gezeigte Wimperntierchen hat sich als Loxotes rostrum (Schnabeltierchen) geoutet. Ein weiterer Ciliat aus einem Tümpel mit Massenauftreten von Goldalgen.
  • Ein durchreisender Schwalbenschwarm in einer Halle hinterließ neben einer toten Schwalbe viele Milben, die sich in einer Kiste versammelt haben. Sie wurden zur Bestimmung Alfons Renz zugesandt. Vogelmilbe Ornithonyssus bzw. Dermanyssus schon, aber welche Art? Zwei Borsten auf der Brustplatte würden auf eine tropische Art hindeuten, was besonders interessant sein würde, aber „leider“ sind wohl drei zu erkennen. Nächste Woche mehr dazu. Der Stechrüssel dieser Raubmilben mit feinen Zähnchen an der Spitze ist sehr fein, der Größenvergleich mit dem Stechrüssel der Stallfliege Stomoxys ist enorm (Bild). Zu guter Letzt wurde noch überraschend das Rätsel gelöst, wie die vielen Milben in die Kiste kamen: Darin befand sich noch ein in Betrieb befindliches Batterieladegerät, das für die nun wirtslosen Krabbler eine magische Anziehungskraft ausübte – ein kuschelig warmer Ersatzvogel.

Die bisherigen Tübinger Mikroskopischen Stammtische (TMS):