Der Rotkohl- und Brennnessel-Effekt
Der Lotus-Effekt ist allgemein bekannt und beschrieben, die technisch umgesetzten Anwendungen sind aber überschaubar – denn putzen muss man immer noch. Im übrigen ist der Effekt bei vielen Pflanzen, die einen weniger klangvollen Namen haben, der gleiche, z. B. beim Rotkohl. Auch die Kapuzinerkresse kann das.
Warum machen das nicht viel mehr Pflanzen so? Die Brennnessel zeigt den Lotus-Rotkohl-Effekt nicht, trotzdem reinigt auch sie sich immer wieder selbst. Beim Online-Stammtisch erläuterte Gerhard Schulz die Versuche seiner Studenten, dieses Geheimnis zu lüften.
Nebenbei, ein Rosmarinblatt z. B. hat eine Wachsschicht, die Verdunstung verhindert und auch Wasser von außen abweist. Die Brennnessel hat keine solche Fettschicht.
Die Versuche zeigten, dass das Brennnesselblatt im Gegensatz zu Lotus, Rotkohl, Kapuzinerkresse und Co. stark benetzbar ist, Regenwasser also sofort auf der Oberfläche zerfließt. Die vertieft liegenden Blattadern mit ihren länglichen und längs angeordneten Zellen bilden eine Kanalstruktur, die den Abtransport des Wassers samt Schmutzpartikel offenbar effizient gewährleistet. Somit ist auch hier die Reinigung kein chemischer, sondern ein struktureller Effekt („Schulz-Effekt“).
Das beweist auch ein Kunststoff-Abguss eines kompletten Brennnesselblattes, der dieselben Reinigungs-Eigenschaften aufweist.
Zur Praxis von Abdrucken von Oberflächen (ausprobieren ist auch hier angesagt):
- Mit UHU-Hart: Z. B. für Kapuzinerkresse. Zerstört aber eine ggf. vorhandene Fettschicht. Auch bei Brennnessel nicht gut.
- Lacktechniken, Fingernagellack: Löst Wachsschicht auf.
- Blattgelatine: Funktioniert und ist schonend.