Tübinger Mikroskopischer Stammtisch (April bis Juni 2022)

J. Grimm, Linsenkrebschen, Pollen, Hand-Demo-Mikroskope, Sizilien-Sand, Rhododendronzikade, Ostsee-Plankton, Merz-Mikroskop, Borrelia in Zecken, Baggersee, Knöllchen-Bakterien, Licht, UMOs, Nesselzellen, Camera lucida, Rossameisen, Auwaldzecke, Bier, Optik, Glibber, Dinoflagellaten, Körner-Mikroskop, Tübinger Kulturnacht.

26. Juni 2022

  • Julius Grimm und die Anatomen. Letzten Sonntag hatte Martin das Präsentationsmikroskop nach dem Strassburger Anatomen Prof. v. Recklinghausen vorgestellt und dabei auf die Microphotographische Anstalt von Julius Grimm in Offenburg verwiesen. Damit war für Alfons Renz das Stichwort gegeben für eine ziemlich verwickelte und noch weitgehend auf Vermutungen beruhende Spurensuche, die vom Mond nach Tübingen führt, der wechselhaften Geschichte der Universität Strassburg und den dortigen Anatomen. Leider auch zu den finstersten Geschehnissen dort zu Ende des Dritten Reichs und deren Beziehung zu Heidelberg und Tübingen.
  • 21 Teilnehmer

19. Juni 2022

  • Chydorus sphaericus, das Linsenkrebschen, ist ein Kletterkünstler. Im Video von Horst Fries ist zu sehen, wie der Wasserfloh an einer Spirogyra-Zieralge entlang „klettert“. Dabei hält sich das Linsenkrebschen mit den Schalenklappen und Stacheln der Vorderbeine an Algenfäden oder Blättchen fest oder läuft daran entlang. Das 2. Beinpaar mit Stachelrechen harkt dabei den Bewuchs ab. Es ist in den meisten Gewässertypen zu finden, wird aber aufgrund seiner Kleinheit von 300-500 μm oft übersehen. Nimmt man ihm auf dem Objektträger zu viel Wasser weg, mag es nicht mehr klettern und schwimmt aufgeregt umher – zu verwechseln mit einem Muschelkrebschen. Die ähnliche, aber wohl recht seltene Art Anchistropus emarginatus weidet die Epidermis von Hydras ab und schädigt diese beträchtlich. Achten wir mal drauf, wenn wir reichlich Hydras im Glas haben!
  • Mit Pollen und Frühstücksfreuden erfreut uns Siegfried Schmidt, auch wenn wir leider nicht an seinem Frühstückstisch sitzen. Pollen und Marmelade von Fichte, Löwenzahn, Aronia und Holunder aus Hasenthal werden kredenzt.
  • Martin Bemmann zeichnet die Geschichte der Hand-Demonstrationsmikroskope von E. Leitz nach, siehe diesen Bericht → Die Hand-Demonstrationsmikroskipe von E. Leitz, Wetzlar
  • Ein Pocket-Mikroskop gab Horst Kuhn lange Zeit Rätsel auf. Welchem Zweck könnte es gedient haben? Es ist ein „Pfeffer“-Mikroskop, mit dem Pfefferhändler die Qualität der Ware prüften. Auf dem Glasprisma wird mittels Öl zerstoßener Pfeffer aufgebracht und durch die Linse begutachtet. Horst findet das Verfahren ziemlich unbrauchbar, denn mit einer gewöhnlichen Lupe sieht man den Pfeffer besser. Trotzdem blieb das Gerät nicht dort, wo der Pfeffer wächst, sondern fand den Weg in Horst’s Sammlung!
  • Von Sizilien hat Igor Reicher Sand mitgebracht, in dem wir Foraminiferen, Moostierchen und Diatomeen identifizieren.
  • 30 Teilnehmer

12. Juni 2022

  • Rhododendronzikade (Graphocephala fennahi), Mundwerkzeuge und Speicheldrüsen, von Jürgen Harst sehr detailliert aufgenommen mit viel Informationen dazu. Abkkürzungen in den Bildern: Nk=Nahrungskanal, Mx=Maxillen, Md=Mandibeln, Sk=Speichelkanal. Verschiedene Speicheldrüsen (unterschiedlich dunkelblaue Anfärbung im Abdomen-Längsschnitt) liefern einen Sekret-Mix, wie z. B. auch bei Zecken. Im Querschnitt des Speicheldrüsenkanals sind keine Muskeln zu erkennen, so dass anzunehmen ist, dass eine rückwärtige Speichelpumpe nötig ist, die aber Jürgen nicht gefunden hat. Bei Raubwanzen gibt es zweiteilige Pumpen, ein Extrem ist der Stechapparat der Fichtenborkenwanze mit aufgerollten „Spulen“.
  • Ostsee-Plankton Teil 3: Schwebefortsätze von Diatomeen. Beitrag mit Bildern von Wolfgang Bettighofer, weitere Bilder von Anne Gleich und („schnell“ mal für uns gemacht!) REM-Aufnahmen von Bernd Podratzki. Bilder und Infos einzigartig! Besten Dank. Alle Bilder und Infos hier im eigenen Beitrag → Ostsee-Plankton
  • Das Typische am Merz-Mikroskop erklärt Horst Kuhn anhand eines seiner Lieblingsmikroskope aus seiner Sammlung (G & S Mert Nr. 1708, etwa um 1880).
    Literaturhinweise:

    • Kost, Jürgen – Dissertation: Wissenschaftlicher Instrumentenbau  der Fa. Merz in München (1838-1932) → https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/5850
    • E.-H. Schmitz Handbuch zur Geschichte der Mikroskopie, „Das Mikroskop“, Wayenborgh Bonn 1989
    • Museum optischer Instrumente Timo Mappes → musoptin.com
    • Fraunhofer in Benediktbeuren Glashütte und Werkstatt, Fraunhofer-Gesellschaft 2008
  • 27 Teilnehmer

5. Juni 2022

  • Borrelia in Zeckenhämolymphen auf überraschend einfache Weise gewonnen und sichtbar gemacht – Oliver Hirning zeigte uns, wie’s geht. Dass Zecken mit ihrem breiten Wirtsspektrum ideale Überträger für eine ganze Reihe von Erregern und Parasiten sind (Bakterien, Viren, Filarien, Trypanosomen und Piroplasmen) ist hinreichend bekannt, obwohl viele Details noch im Dunkeln liegen. Dass man jedoch die am meisten (und mit Recht!) gefürchteten Borrelien so einfach im Phasenkontrast mit dem Lichtmikroskop nachweisen kann, verdient besondere Beachtung und reizt zur Nachahmung.
  • Alfons Renz erläuterte anschließend anhand von Vorlesungs-Aufzeichnungen (hier nicht veröffentlich) …
    • wie der Mechanismus eines Zeckenstiches funktioniert;
    • was bei der Übertragung der Krankheitserreger vor sich geht;
    • wie die Verdauung der Blutmahlzeit optimiert ist, auch mit Hilfe von Bakterien;
    • dass die Zecke ein Arsenal von Hilfsstoffen erzeugt, mit denen sie die unterschiedlichsten Funktionen unterstützt;
    • wo sich welche Arten auf der Erde ausgebreitet haben.
    • Welch‘ unglaublich komplexe Strukturen und Zusammenhänge in so kleinen Lebewesen existieren!
  • Der Baggersee-Treff am Vortag bei Regen und ganz geringer Beteiligung )-: ergab bei einer Wasserprobe eine starke Blau“algen“-Blüte von Aphanizomenon flos-aquae. Ganz außergewöhnlich in dieser Jahreszeit, tritt diese normalerweise erst Ende August/September auf.
  • 34 Teilnehmer

29. Mai 2022

22. Mai 2022

  • „Das Licht ist keine Welle“. Wie erklären Quantenphysiker dann z. B. die Funktionsweise einer Sammellinse? Horst Fries versucht in 15 Minuten, dies (ohne Formeln) zu erklären (was in dieser Zeit nicht ganz gelingt). Und zwar so, wie Nobelpreisträger Richard Feynman dies in seinem Büchlein „QED – Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie“ darstellt. Es ist die Niederschrift von drei populärwissenschaftlichen Vorlesungen über das Thema. Die Videoaufzeichnungen dieser Vorlesung von 1964 (in der schlechter Bildqualität dieser Zeit und natürlich in Englisch) gibt es auf YouTube: → https://www.youtube.com/watch?v=P9nPMFBhzsI
  • Ein sonderbares UMO von Alfons entpuppt sich als Modell einer Walharpunenkanone.
  • Ein 65 kg schwere Riesenmikroskop erwarb Alfons Renz. Es stammt aus dem Nachlass von Dr. Peter Rupp.
  • Unter dem Stichwort „Nachlassende Mikroskopiker“ ist zu überlegen, wie wertvolle Sammlungen von Geräten, Präparaten oder Literatur inventarisiert und auf Dauer erhalten bleiben.

15. Mai 2022

  • Weiteres über Zecken, Mundwerkzeuge. Beitrag von Alfons Renz.

8. Mai 2022

  • Die TMG präsentierte sich auf der Tübinger Kulturnacht so eindrucksvoll, dass man sich über Zuspruch nicht beklagen konnte. Der Standort in der Stadtbibliothek war prima, in unserem Zeitfenster von 18 bis 21 Uhr war man fast immer in Unterhaltungen verwickelt. Alle Bilder hier → Die TMG bei der Tübinger Kulturnacht 2022
  • Über die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus), von Peter kürzlich „gesammelt“, konnte Alfons Renz viel Erstaunliches berichten, zu viel, um es hier wiederzugeben.
  • Ein Stein aus dem Schönbuch mit fossilen Gangspuren brachte Manfred Erb vorbei.
  • 23 Teilnehmer

1. Mai 2022

  • Nesselzellen der Glasrosen, evolutionäre Entwicklung der Nesselzellen. Anne Gleich liefert uns die Bilder der Nesselzellen, Alfons Renz ergänzt mit Informationen über den Aufbau, die Funktionsweise und die evolutionäre Entwicklung. Glasrosen sind Seeanemonen der Gattung Aiptasia, für Meerwasseraquarianer sind sie ein „Unkraut“, für Mikroskopiker ein Leckerbissen. Die Bilder der Tentakel zeigen symbiotische Dinoflagellaten und den dichten Besatz der Nesselkapseln, von denen es fünf Typen gibt. Der Nesselschlauch in der Nesselkapsel ist dicht aufgerollt. Wird die Nesselzelle zum Abschuss getriggert, wird der Schlauch blitzartig nach außen gestülpt. Das geschieht bei einem Druck von 150 bar (!) mit einer etwas 50-fachen Geschwindigkeit einer Gewehrkugel, was einer Beschleunigung von 40.000 g entspricht. Die Toxine gehören zu den stärksten Naturgiften überhaupt. Die kleinen Glasrosen können aber dabei die Hornhaut der menschlichen Haut nicht durchdringen.
    Wie es Anemonenfische fertig bringen, in Seeanemonen nicht die Nesselzellen auszulösen, müssen wir noch herausbekommen. Ebenso können Anemonen und Korallen zwischen Freund und Feind unterscheiden.
    Nesselzellen können aus Pilzzellen (Nosema) hervorgegangen sein, deren Zellen ihren Zellkern mittels eines langen Schlauches in andere Organismen einschleusen können. Dabei ist ebenfalls Druck vonnöten. Solche nicht durch Mutationen und Auslese, sondern durch Übergabe oder „Stehlen“ erworbene Eigenschaften sind weiter verbreitet als bisher gedacht und für Forschung noch ein weites Feld.
  • Zeichengeräte wie die Camera lucida stellte Alfons Renz vor, mit historischen Hintergründen.
  • Diana Witzgall erhielt von einem Schreiner ein Holzstück, ähnlich einem Termitennest. Termiten können es nicht gewesen sein, denn das Holz war einheimisch. Eine Internet-Recherche ergab: Der Bau der Rossameisen (Camponotus herculeanus), die aber ebenfalls Holzschäden im Haus verursachen können.
  • Eine Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) muss Peter sogleich in Alkohol fixieren und Alfons zuschicken. Es freuen sich seine Studenten darauf.
  • 30 Teilnehmer

24. April 2022

  • Der Mensch und sein Bier‚ oder ‚Gerhard Schulz und sein Bier‘. Die Geschichte vom Bier brauen ist hoch interessant. Selber Bier brauen auch, und wenn man Chemiker wie Gerhard Schulz ist, umso mehr. Hier in der Bildergalerie nur ein Auszug aus den vielen Folien von Gerhard Schulz, informativ und nachdenkenswert. Dass man den beginnenden Ackerbau und die Sesshaftigkeit gerne als Beginn der Zivilisation in Zusammenhang bringt, darf man anzweifeln! Der Siegeszug des Bieres ist aber unbestritten. Hierzu passt auf YouTube ‚Bier! – Der Film‘ am Ende der Bildergalerie.
  • Rudolf Lukes zeigt mal allgemein verständlich mit einem Lupen-Experiment und Simulationsprogramm, wie das vergrößerte Bild in einem Mikroskop entsteht. Wer sich das bisher noch nicht genau überlegt hatte – jetzt weiß er es! Beitrag als pdf herunterladbar. Das Simulationsprogramm gibt es hier → https://www.walter-fendt.de/html5/phde/imageconverginglens_de.htm
  • 33 Teilnehmer

10. April 2022

  • Unser Mitglied Rainer Mehnert ist am 29. März verstorben. Wir trauern sehr um Rainer, der stets äußerst engagiert bei den Aktivitäten der TMG mitwirkte und als Fachmann der Mikroskop-Technik – nicht nur Zeiss – geschätzt war. In der Bilder-Galerie seien einige unvergessliche Erlebnisse mit ihm festgehalten, dazu seine wundervollen Bilder von Seifenblasenhäutchen.
  • Günther Dorn hat nun den Aquarium-Glibberschleim intensiver untersucht. Zwei Arten von Bakterien (große und kleine) kommen vor (z. T. mit Fuchsin gefärbt). Wer letztlich für die Schleimbildung verantwortlich ist, kann man auf einfache Weise nicht klären. Dass der Schleim – wie z. B. auch eine Kahmhaut – ein Biotop sekundär für viele Organismen ist (Algen, Amöben usw.) ist logisch und erschwert, der Ursache auf die Spur zu kommen.
  • Immer näher kommt Alfons dem Geheimnis des UMO’s No. 14. Aber wer das Mikroskop letztendlich zusammengeschustert hat, wird man wohl nicht mehr erfahren. Die neuen Erkenntnisse hier → UMOs – Unbekannte Mikroskopische Objekte
  • 33 Teilnehmer

3. April 2022

  • Das bunte Treiben von Dinoflagellaten aus dem Vogelwoog-Stausee bei Kaiserslautern. Die goldenen Schlieren entpuppten sich als Dinoflagellaten in „Reinkultur“, vermutlich Gymnodinium. Interessante Bewegungsmuster, welchen Sinn manchen diese? Aufnahmen von Anne Gleich.
  • Tümpelgruppe am Aileswasensee bei Neckarteilfingen. Die Besonderheiten: Gut zugänglicher Baggersee mit Kiosk (Bänke und Tische vorhanden). Schneetreiben. Viele Wasserflöhe (hauptsächlich Daphnia longispina), darunter aber eine bizarre Karpfenlaus (Argulus). Ein Schwimmer durchquerte den Baggersee (ungeachtet der vielen Wasserflöhe)!
  • Neues vom Fritz Körner Präpariermikroskop im Vergleich zum mysteriösem C Zeiss No 14 (=> gesucht werden noch Bilder der frühen, von Hand eingestanzten Signaturen von Zeiss Mikroskopen!). Tilmann und Alfons trafen sich, um Objekte aus eigenem Fundus mit dem UMO No. 14 zu vergleichen. Mehr Bilder davon unter → UMOs – Unbekannte Mikroskopische Objekte
  • Glibberschleim im Aquarium, ungelöst.
  • Vorbereitung der Tübinger Kulturnacht. Bilder von Koffein-Kristallen.
  • 32 Teilnehmer

Die bisherigen Tübinger Mikroskopischen Stammtische (TMS):