Messungen mit dem Mikroskop um 1850

Max Schultze hatte 1854 erstmals die Foraminifere Ammonia veneta beschrieben und lieferte Größenangaben dazu, z. B. die der Porendurchmesser.

Gab es zu Anfang der 1850er Jahre bereits Mikroskope, die Details in dieser Größe auflösen und mit hinreichender Präzision messen konnten? Wenn ja, welche Mikroskope könnte er mit hoher Wahrscheinlichkeit verwendet haben? Gab es schon Messokulare mit Strichplatten oder hat man damals die Objektgrößen aus dem Durchmesser des Gesichtsfeldes abgeleitet?

Max Schultze hatte seine experimentelle Arbeit im Frühjahr 1854 als Privatdozent am Anatomischen Institut der Universität Greifswald durchgeführt. Die Foraminifere hatte er im Herbst 1853 in der Lagune von Venedig gesammelt. Die Untersuchungsmethodik und verwendeten Geräte werden in seiner Arbeit nicht ausführlich beschrieben.

Er erwähnt, dass die Objekte auf einer Nadel oder Pinselspitze montiert werden müssten, um sie im Auflicht von allen Seiten betrachten zu können. Andererseits zeigen seine Tafelabbildungen Zeichnungen von Objekten, die im Durchlicht oder unter Wasserbedeckung betrachtet worden sind. Als Vergrößerungen nennt er 72, 180 und 330 fach.

Die kleinsten Messungen sind Porendurchmesser der Arten Ammonia veneta von 0,0005″‚ (1,8 µm). Unsere Messungen mit dem Rasterelektronenmikroskop ergeben 1,3 µm für Ammonia veneta und 0,5 µm für Ammonia freyeri. Das REM ist mit einem SIRA Testobjekt kalibriert. Die Messungen hat Max Schultze mit Sicherheit bei der gleichen Einstellung vorgenommen, also kann hier etwas nicht stimmen.

Alfons besitzt ein Zeiss-Messmikroskop zum Vermessen des Zeeman-Effektes (Aufspaltung der Spektrallinien im Magnetfeld) mit Rowland-Gitter. Friedrich August Nobert hatte bereits vor 1800 höchstauflösende Gitter hergestellt, die 50 Jahre weltweit nicht übertroffen wurden.

Die Zeichnungen eines Fraunhofer’schen Schraubenmikrometers, der auf dem Objekttisch montiert wird, gaben uns Rätsel auf. Wie funktioniert das Ganze? Was bewirkt die Feder (g)? Vermutlich soll damit das Gewindegangspiel verhindert werden, aber wie? Schauen wir mal, ob beim nächsten Stammtisch eine Lösung gefunden wird. Horst Fries eine 3D-Konstruktion am Rechner nachgebildet, um die Funktionsweise zu klären. Andere Beschreibungen und Zeichnungen aus älterer Literatur wurden beim TMS am 26. Sept. beigesteuert, ebenso Fotos ähnlicher historischer Mikrometer. Aber so recht konnte man sich nicht einigen, das Fraunhofer’schen Schraubenmikrometers bleibt noch ein „UMO“.

Das Brander Kompendium aus der Sammlung von Horst Kuhn beinhaltet ein Netzmikrometer, das in seiner Exaktheit und sauberen Ausführung seiner Zeit, um 1760, weit voraus war. Das Elfenbein-Döschen unterstreicht die Güte seines Inhalts.

Immer noch offen war die Frage, wie das Fraunhofer’sche Schraubenmikometer wirklich funktioniert. Die Konstruktion und Funktionsweise war in älterer Literatur lückenhaft oder sogar falsch beschrieben.

Licht ins Dunkel brachte das Original-Schraubenmikrometer, das Alfons Renz in der Sammlung der Tübinger Experimentalphysik gefunden hatte.

Die „Feder“ entpuppte sich als starrer Bügel. Der Schieber wird vom Druck der Schraube bewegt. Das Gewindespiel wird durch die zweigeteilte Mutter reduziert, die durch ein Schräubchen angezogen werden kann.

TMS 10.10.2021: Historische und neuzeitliche Mikrometer unterschiedlicher Hersteller.